Theorie und Geschichte

Lehrveranstaltungen Bachelor

Architekturgeschichtliche Übungen

NEUE MITTELPUNKTE DER WELT
Kultorte der Moderne

Dozent: Dr. Achim Reese
Termin: Donnerstag, 11:30-13:00 Uhr
Beginn: 18.04.2024
Ort: Bibliothek, Gabelsbergerstr 49, IV. Stock

 

Die nachlassende Bindekraft der Kirchen lässt nicht ohne Weiteres auf einen Bedeutungsverlust des Spirituellen schließen. Der These eines Sakraltransfers entsprechend ginge die Rolle, die den Religionen in traditionalen Gesellschaften zukam, stattdessen auf andere Institutionen über. Dabei ist für die Architektur festzustellen, dass vormals sakral bestimmten Bauformen unter diesen Bedingungen neuerliche Bedeutung zukommt.
Lassen sich Ausstellungsbauten und Konzerthäuser als ›Musentempel‹ begreifen, werden auch Sportstätten als nichtalltägliche Orte verstanden, die das Gemeinschaftserleben in einzigartiger Weise befördern. Von dem Versuch eines totalitären Regimes, diese Idee zu instrumentalisieren und die eigene Politik zugleich durch eine kultische Verbrämung zu legitimieren, künden noch heute die Überreste der sogenannten ›Ehrentempel‹ am Münchner Königsplatz. Andererseits können sakral anmutende Räumlichkeiten, die nicht nur mit dem Kontrast von Licht und Dunkelheit operieren, sondern zugleich an eine auch spirituelle Reinigung denken lassen, die Selbstbesinnung des Individuums zum Ziel haben – das zumindest legt die Architektur der Therme Vals von Peter Zumthor nahe.
Ausgehend von der Architektur traditioneller Sakralbauten und der in den vergangenen Jahren intensiven Forschung zum architektonischen Sakraltransfer, nimmt das Seminar weltliche Kultorte in den Blick. Dabei soll nicht außer Acht bleiben, dass auch in Europa traditionelle Religionen fortbestehen. Ebenso wird die Frage, wie diese Glaubensgemeinschaften sich auch architektonisch gegenüber den neuen Kulten positionieren, Gegenstand der Lehrveranstaltung sein.

 

Kunstgeschichte

REPARIEREN, RESTITUIEREN, WIEDERGUTMACHEN: 
Transkulturelle Perspektiven auf Fragen der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit in der Kunst der Gegenwart


Dozentin: Dr. Sarah Hegenbarth
Termin: Freitag, 10:00-13:00 Uhr
Beginn: 19.04.2024
Ort: Bibliothek, Gabelsbergerstr. 49 IV. Stock

 

Die Ausstellung „The Great Repair“, die vom 4. Oktober 2023 bis zum 14. Januar 2024 an der Berliner Akademie der Künste in Kooperation mit Arch+ stattfand, wird von diesem Seminar als Ausgangspunkt herangezogen, um sich mit Themen der Klimagerechtigkeit und sozialer Verantwortung in der Kunst und Architektur der globalen Gegenwart auseinanderzusetzen. Dabei sollen Fragen wie die folgenden vertieft werden: Gibt es Ästhetiken der Reparatur, mit denen globale Herausforderungen der Gegenwart wie der Klimawandel, Reparationen für koloniales Unrecht, aber auch der zunehmende Antisemitismus adressiert werden können? Inwiefern können durch künstlerische Praktiken Akte der Solidarität, aber auch der (Selbst-) Fürsorge ausgeübt werden? In der Auseinandersetzung mit grundlegenden Texten und Kunstwerken analysieren wir das politische und ethische Potential der Kunst der Gegenwart mit Hinblick darauf, wie künstlerische Praktiken gesamtgesellschaftliche Prozesse auf dem Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit motivieren, verhandeln und realisieren. Zur Teilnahme an diesem Seminar ist die Anwesenheit bei der ersten Sitzung zwingend erforderlich. Weitere Voraussetzungen sind die Übernahme eines Referats, das Erledigen kleinerer Hausaufgaben sowie das Verfassen eines Exposé zur Vorbereitung auf die Hausarbeit.

 

 

Kunstgeschichte

NACHBARSCHAFT NEUPERLACH

Dozentin: Dr. Doris Hallama
Termin: Mittwoch, 13:15 - 14:45 Uhr
Beginn: 17.04.2024
Ort: Raum 308, Gabelsbergerstr 49, III. Stock

 

Die „Entlastungsstadt“ Neuperlach im Südosten Münchens gilt mit ihren 65.000 Einwohnern als grösste Stadterweiterung der westdeutschen Nachkriegsmoderne. Bis vor kurzem aber lag dieses riesige Areal in München unter der Oberfläche der Stadtwahrnehmung Münchens. Höchstens die „Herausforderungen“ vor denen Neuperlach heute steht – weil die Bauten in die Jahre gekommen sind und vieles, was zwischen den und um die Bauten herum für das Miteinander gedacht war, inzwischen seine Funktion verloren hat – sorgten bisweilen für Aufmerksamkeit. Nun startete im Oktober 2023 aber ein international beachtetes Projekt – „Creating NEBourhoods Together“– grosszügig unterstützt von der Europäischen Union, mit dem ambitionierten Ziel, „ein klimafreundliches, inklusives und schönes Leben und Arbeiten im Stadtteil zu verwirklichen.“ „Das soziale Miteinander in Nachbarschaften und ein respektvoller Umgang mit den Ressourcen stehen dabei im Zentrum.“ Die TUM ist Partner und mit einigen Umsetzungsprojekten beteiligt. Wie aber sieht Nachbarschaft aus? Dieser Aspekt des Urbanen und notwendiger Teil einer erfolgreichen städtischen Transformation steht im Fokus unseres Seminars und wird uns Objekt einer fotografischen Auseinandersetzung mit Neuperlach sein. Mit der Fotografie als Werkzeug wird je eine Infrastruktur Münchens untersucht. Ziel ist mittels der Bilder die eigene Beschäftigung mit dem Ort zu positionieren. Fotografie übernimmt verschiedene Funktionen im Bezug zur Architektur. Sie dient, neben Zeichnungen und Texten, der Vermittlung und Dokumentation genauso aber auch der Interpretation von Gebäuden und Stadträumen. Eine solche Fotografie schaut nicht unbefangen. Wo die Fotografie über die Abbildung des vordergründig Sichtbaren hinausgeht, wird sie zum Mittel, um die Geschichten, Rollen, Funktionen oder Aufgaben und die ambivalente Ästhetik dieser Räume zu ergründen. In Kooperation mit der Architekturgalerie München sollen die Fotoarbeiten die Website von „Creating NEBourhoods Together“, Social Media und die gleichnamige Ausstellung in der Architekturgalerie begleiten.

 

Kunstgeschichte  

GRENZEN DER ERFAHRUNG
Aspekte und Kritik einer Phänomenologie der Raumwahrnehmung

Dozentin: Dr. Gabrielle Schaad
Termin: Mittwoch, 13:15-14:45 Uhr
Beginn: 17.04.2024
Ort: Bibliothek, Gabelsbergerstr 49, IV. Stock

 

Die Phänomenologie der Wahrnehmung spielt eine wichtige Rolle in der Architekturlehre und -praxis. Über Funktionalismus oder Bedeutungskonstruktion von Bauten hinaus stellt dieser philosophische Zugang, u.a. bekannt durch Maurice Merleau-Pontys Werk, die subjektive leibliche Erfahrung für das Verständnis von Raum und Umgebung heraus. In der Architektur eröffnet die Berücksichtigung der Wahrnehmung neue Perspektiven für die Gestaltung, indem sie den Fokus auf körperliche Empfindungen von Material oder Atmosphären lenkt. Eine phänomenologische Herangehensweise betont, dass die Wahrnehmung von Raum nicht nur visuell geprägt ist, sondern auch Berührung, Klang und Geruch sie ausmachen. Allerdings müssen Architekt:innen die Grenzen der Phänomenologie im Blick behalten. Kritikerinnen wie Jos Boys und Sara Ahmed argumentieren, dass die Betonung subjektiv-sinnlicher ästhetischer Wahrnehmung dazu neigt, strukturelle Ungerechtigkeiten und soziale Unterschiede auszublenden, indem sie bestimmte Gruppen wie Menschen mit Behinderungen vernachlässigt. Ausserdem besteht die Gefahr, dass eine rein phänomenologische Herangehensweise architektonische Praxis und Diskurse von der tatsächlichen sozialen Realität entkoppelt. Im Gegensatz dazu betrachtet Michel Foucault Erfahrung als ein Produkt der Architektur, die Bewegungs- und (Selbst-) Wahrnehmungsweisen bestimmt. Im Seminar werden wir Grundlagen, Begriffe und Methoden durch Lektüren und theoretische Auseinandersetzungen mit historischen und zeitgenössischen Gebäuden von Alvar und Aino Aalto bis Arakawa und Madeline Gins erarbeiten – insbesondere auch die differenzierten Argumente einer Kritik an der Phänomenologie der Wahrnehmung.

 

Kunstgeschichte

DIAGNOSE WOHNUNGSNOT.
Aber was war gleich die [Wohnungs]frage?


Dozentin: Dr. Elena Markus
Termin: Mittwoch 13.15-14:45 Uhr
Beginn: 17.04.2024
Ort: Bibliothek, Gabelsbergerstr. 49 IV. Stock

 

Die Insolvenz von gleich mehreren deutschen Immobilienunternehmen im Sommer 2023 hat nicht nur eine aktuelle Krise der Baubranche, sondern insbesondere eine erneute Krise im Wohnungsbau angedeutet. Eine »Verteuerung des Geldes« mit den rasant angestiegenen Zinsen und eine starke Erhöhung der Baukosten führen in der Konsequenz zur Erlahmung der Bautätigkeit. Das steht im Widerspruch zum signalisierten Ziel der Bundesregierung mit der Erstellung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, welche die aktuelle Wohnungsnot lindern sollten: diese neuere Wohnungsnot stellt sich in Reihe zu den nach der letzten Weltwirtschaftskrise und während der Pandemie gemachten Erfahrungen zur Wohnungsfrage. Die Frage, die der gestellten Wohnungsnot-Diagnose folgt, lautet, wie die Wohnungsfrage im Jahr 2023 formuliert werden kann. Wie kann das Dilemma mit dem Appell nach mehr Wohnungsraum einerseits und der durch die Klimakrise bedingten Ressourcen- und Materialkrise andererseits aus der architekturtheoretischen Sicht angegangen werden? Wer ist von der heutigen Wohnungsnot betroffen und wer hat aktuell einen erschwerten Zugang zum Ressource Wohnen? Im Seminar werden wir uns zuerst anhand der Texte und Fallbeispiele der historischen Wohnungsfrage und der Wohnungspolitik widmen, um anschliessend den objektbezogenen Planen-Bauen-Kreislauf zu hinterfragen und alternative Szenarien für Architekturprozesse in Bezug auf das Wohnen in Bild und Text durchzuspielen.