Realisierung eines Nearly Zero Energy Standards für die freie Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart

Der Neubau des Oberstufengebäudes der Waldorfschule in Stuttgart wurde in einem integralen Planungsprozess bearbeitet. Dabei arbeiteten Architekten, Bauphysiker, Energie- und HLSE-Planer gemeinsam mit Planern der anderen Gewerke sowie in enger Abstimmung mit dem Bauherrn und den Nutzern an einer Lösung, die als zentrales Ziel ein nachhaltiges Gebäude mit einer hohen Aufenthaltsqualität und einem geringen Bedarf an fossiler Energie hat. Die Erkenntnisse aus dem parallel laufenden Forschungsprojekt "Entwicklung von beispielhaften Neubaumaßnahmen für die Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart auf Basis von Messungen und Analysen neugebauter Schulen" flossen dabei konsequent in die Planung mit ein.

Dabei wurde ein architektonisch ansprechendes und angemessenes Gebäude geschaffen. Städtebaulich wird der Neubau, bedingt durch die Hügellage, zum einen das neue Gesicht der Waldorfschule zur Stadt hin, zum anderen wirkt es zum Innenhof hin nicht zu prominent und verschärft die beengte Situation nicht noch weiter.
Architektonisch fügt es sich harmonisch in das bestehende Gesamtensemble ein, dennoch hat es einen Ausdruck, welcher der Anthroposophie zugewandten Waldorfschule auch ästhetisch-künstlerisch auf eine zeitgenössische Weise gerecht wird. Die Maßnahmen zur Energieeffizienz wurden auf diese Weise nicht auf einen bestehenden Gebäudeentwurf aufgesetzt sondern sind vielmehr integraler Bestandteil der Architektur, so dass auf wirtschaftliche Weise ein Nearly Zero Energy Standard erreicht werden kann.

Der Planungsprozess wurde von Anfang an begleitet von dynamischen Simulationsrechnungen mit denen die Effizienz verschiedener Maßnahmen quantifiziert wird und der Nutzerkomfort in den Schulräumen nachgewiesen wird. Der Gebäudeentwurf unterstützt durch seine entsprechende Form beispielweise eine natürliche, wind- und thermisch angetriebene Belüftung, gleichzeitig wurde die Fassadengestaltung auf eine optimierte Nutzung von blendfreiem Tageslicht optimiert. Die weitgehend natürliche Be- und Entlüftung der Schule wurde einer zentralen mechanischen Lüftung Vorrang gegeben, um den Strombedarf, vor allem aber die immensen Betriebskosten und den Wartungsaufwand gering zu halten. Die Verbindung dieser Lüftungsstrategie mit dem Gebäudeentwurf stellt fast das wichtigste Hauptmerkmal der Schule dar und manifestiert sich im zentralen Atrium. Es ist gleichermaßen sozialer Treffpunkt als auch Lüftungszentrale, da es als „Lunge“ der Waldorfschule dient. Die natürliche Vorkonditionierung der Zuluft erfolgt über ein Erdkanalsystem und tritt im Atrium aus. Im Winterfall sowie im Sommerfall (tagsüber) wird die Zuluft durch das Erdreich vorerwärmt bzw. vorgekühlt. Aktive, sprich mechanisch betriebene Überströmelemente im Türbereich der Klassenzimmer befördern die Luft aus dem Atrium in die jeweiligen Unterrichtsräume (hybride Lüftung). Über horizontale Fensterstreifen als Klappen in der Fassade strömt die Luft aus den Klassenzimmern ab. Im Vergleich zur normalen Fensterlüftung kann somit ein hoher Komfort gewährleistet werden, da Kaltluftabfall im Winter und hohe Zulufttemperaturen im Sommer durch Fensteröffnen vermieden werden.
Eine Richtungsumkehr der Lüftung ergibt sich im Sommerfall (nachts) und in der Übergangszeit: dann dient das Atrium als Kamin und ermöglicht eine natürliche Querlüftung der Klassenräume. Diese Richtungsumkehr wird mittels einer motorischen Klappe bewerkstelligt. Das Zusammenspiel gilt es zu entwickeln, so dass eine kostengünstige, robuste Lösung erzielt wird.
Dieses System trägt dem Anspruch des Bauherrn Rechnung, einerseits eine hohe Energieeffizienz für das Gebäude zu erreichen, gleichzeitig jedoch den Aufwand an technischen Anlagen zu begrenzen.

Als Wärmeübergabesystem sollen statische Heizflächen mit thermostatischer Regelung realisiert werden. Diese reagieren schnell auf die im Schulbetrieb auftretenden wechselnden Lastanforderungen. Die benötigte Wärme wird von dem schuleigenen, bereits bestehenden Nahwärmenetz geliefert.


Die Dachlandschaft mit 456 m² wird flächendeckend mit Photovoltaikmoduklen besetzt. Diese produzieren so viel Strom, dass nur ca. 1/3 für die künstliche Beleuchtung und die Hilfsenergie benötigt wird, der restliche Überschuss kann selber verbraucht oder ins öffentliche Netz gespeist werden. Die Finanzierung dieser großen Fläche an PV ist zum Großteil durch die Einsparungen durch den Verzicht der mechanischen Lüftungsanlage möglich.
Auch auf die Energiebilanz der Waldorfschule wirkt sich der hohe Stromüberschuss positiv aus. So kann bilanziell auch fast der komplette Wärmebedarf gedeckt werden, so dass in Summe ein Primärenergiebedarf von lediglich 3,5 kWh/m²a entsteht und ein Nearly Zero Energy Standard erreicht wird.